Weile in ein ungewohntes Umfeld begeben. Mittlerweile habe er aber jede Menge Freunde in Dallas gefunden. „Nicht nur die hier“, sagt er trocken, mit einer lässigen Geste über den Skulpturengarten. Unter anderem sei er mit dem Besitzer eines Hutladens befreundet. Dieser habe ihm auch das Hotel empfohlen, in dem er seit zwei Monaten wohne, „The Mansion“. Ich werde hellhörig, das hört sich nach einer in- teressanten Wohnung an. Dort gebe es einen historischen Aufzug – den ersten in einem Privathaus in Dallas –, der sich hervorragend für das Bezwingen von Klaustrophobie eigne. Unglaublich, dass der hochgewachsene Roosevelt mitsamt seinem Rollstuhl da hineingepasst hat, 1936, als er mit der First Lady zu Besuch kam.
Jim erzählt von dem Erbauer der Mansion: „Als sein erstes Haus abgebrannt war, machte der Baumwollbaron Sheppard W. King mit seinem Architekten und seiner Familie eine Reise durch Europa. Ideensuche für das neue Haus. Italien, Frankreich, England. Natürlich haben sie auch eingekauft. Stein, Stoffe, Säulen, Türen spanischer Kathedralen. Als King später pleiteging, hat ein Ölbaron das Haus gekauft. Der hat ein ganzes Schiff voll gotischer Schnitzereien aus Schottland bringen lassen und damit die Decken und Wände bepflastert. Da, wo ich abends mein Ribeye esse.“
Seine Einladung zum Abendessen schlage ich aus, aber am nächsten Nachmittag fahre ich zur „Mansion“ nach Turtle Creek, nördlich von Downtown Dallas. Das im Stil der italienischen Renaissance erbaute Anwesen wurde in den achtziger Jahren durch einen Hotelneubau erweitert, ansonsten finde ich alles so vor wie in Jims Erzählung. Auch die Sammlung antiker Mingvasen im Neubau. Ob ihr Wert tatsächlich zwanzig, dreißig Millionen Dollar beträgt, wie Jim es behauptete? Manchmal jucke es ihm in den Fingern – nein, hatte er gelacht, er habe sich unter Kontrolle. Er würde lieber friedlich auf der Loggia sitzen, wie es übrigens auch Tennessee Williams getan habe, nach dem Zweiten Weltkrieg, als er, zu Gast beim Ölbaron, „Summer and Smoke“ schrieb. In der altschottisch eingerichteten Bibliothek lese ich in Wikipedia über dieses Südstaaten-Theaterstück nach. Zum Tee gibt es Scones mit Clotted Cream. Ich bin unschlüssig, ob ich meinem neuen Freund Jim guten Tag sagen soll. Ich sehe seine Silhouette auf der überdachten Veranda, den Hut tief in den Nacken geschoben.